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Christliche Gemeinschaft: Spaltungen und Einigkeit

 

Die grosse Frage

 

In Joh. 17,20-21 betet Jesus zu Gott und sagt: "Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, so durch ihr Wort an mich glauben werden, auf dass sie alle eins seien..." In der Christenheit bietet sich uns aber ein ganz anderes Bild: Es gibt Hunderte von Denominationen, Kirchen und Freikirchen. Die Christenheit ist nicht nur gespalten, sondern zersplittert. Ich glaube nicht, dass wir die Frage nach dem "warum" in ihrer Tiefe beantworten können, aber zumindest glaube ich, eine vordergründige Ursache für diese Zersplitterung identifiziert zu haben. Diese möchte ich zuerst besprechen, um danach die Frage zu diskutieren, wie Einheit und Gemeinschaft unter Christen versucht oder erreicht werden kann. 

 

Was trennt uns?

 

Eine vordergründige Ursache für die Zersplitterung, so meine ich, liegt in den Glaubensbekenntnissen begründet. In der Bibel liest man z.B. folgendes:

 

"Und als sie zogen der Strasse nach, kamen sie an ein Wasser. Und der Kämmerer sprach: Siehe, da ist Wasser, was hindert's, dass ich mich taufen lasse? Philippus aber sprach: Glaubest du von ganzem Herzen, so mag's wohl sein. Er antwortete und sprach: Ich glaube, dass Jesus Christus Gottes Sohn ist." (Apg. 8,36-37)

 

Das sieht nach einem ziemlich kurzen Glaubensbekenntnis aus! Auch die folgende Stelle ist interessant: 

"Denn so du mit deinem Munde bekennst Jesum, dass er der Herr sei, und glaubst in deinem Herzen, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du selig." (Röm. 10,9)

 

Auch dieses Bekenntnis ist ausserordentlich kurz! Wie aber sieht es in den meisten Gemeinden aus? Viele stellen ziemlich ausführliche Glaubensbekenntnisse mit zahlreichen Punkten auf. 

 

Ein kurzes Gedankenexperiment: Wenn ein Glaubensbekenntnis eine einzige Aussage enthält, dann kann man dieser Aussage zustimmen oder auch nicht. Dadurch entstehen zwei Gruppen von Menschen: Die Gruppe derjenigen, die das Glaubensbekenntnis annehmen, und die Gruppe derjenigen, die das Glaubensbekenntnis ablehnen. Wenn das Glaubensbekenntnis aber zwei Aussagen enthält, dann entstehen vier Gruppen von Menschen: Die beiden Gruppen, die durch die erste Aussage entstanden sind, werden durch die zweite Aussage jeweils wieder in zwei Gruppen gespalten. Denkt man sich diesen Prozess weiter, dann entstehen z.B. durch zehn Aussagen 1024 Gruppen! 

 

Ich würde also längere Glaubensbekenntnisse grundsätzlich hinterfragen. Warum sind sie notwendig? Die Christenheit hat ihren Namen nach "Christus", dem Sohn Gottes. Also sollte das einzige Glaubensbekenntnis der Christen das Bekenntnis zum Sohn Gottes sein: Der lebendige Jesus Christus ist Gottes Sohn und Herr. 

 

Bei jedem Glaubensbekenntnis, das über dieses absolute Minimum hinausgeht, sollte man sich fragen: Wer sind wir, dass wir andere Christen aus der Gemeinschaft ausschliessen dürfen, nur weil sie in einigen Punkten anders glauben als wir? Schliesslich können wir nicht in die Herzen anderer Christen hineinschauen. Nur einer ist Richter und Herr: Jesus Christus, das Haupt der Gemeinde. Und was noch viel wichtiger ist: Warum meinen wir, die Wahrheit gepachtet zu haben? Irren ist schliesslich menschlich. Auch ich habe auf dieser meiner Homepage nur nach bestem Wissen und Gewissen die Inhalte so dargelegt, wie ich sie verstehe. Aus der wiederholten Erfahrung, meine Meinung und Überzeugung ändern zu müssen, muss ich davon ausgehen, dass ich meine Überzeugungen auch in Zukunft noch mehrmals anpassen werde. 

 

Noch eine kurze Bemerkung für Anhänger der Endzeit-Botschaft: Das Verurteilen von Glaubensbekenntnissen war ein wichtiger Bestandteil der Verkündigung William Branhams. Dies erweckt bei den Zuhörern den Eindruck, dass die Gewissen in der Endzeit-Botschaft tatsächlich nicht durch Glaubensbekenntnisse gebunden werden, sondern nur die Heilige Schrift massgebend sei. Das ist aber eine Täuschung. Jeder in der Endzeit-Botschaft sollte folgendes Gedankenexperiment machen: Wäre es akzeptabel (d.h. könnte man immer noch Teil der "Brautgemeinde" sein), wenn man eine fundamentale Lehre Branhams, wie z.B. "Same der Schlange", ablehnt? Oder wenn man Branham als Propheten ablehnt? Dieses Gedankenexperiment sollte deutlich machen, dass in der Endzeit-Botschaft informale Glaubensbekenntnisse tatsächlich eine grosse Rolle spielen.  

 

Vorschlag

 

Gemäss obigen Ausführungen müsste ein Lösungsvorschlag, der die Christenheit zu mehr Einheit führen könnte, darin bestehen, die ausführlichen Glaubensbekenntnisse aufzugeben, und das in der Bibel selber beschriebene Glaubensbekenntnis zu Jesus Christus an deren Stelle zu setzen. Tatsächlich bin ich überzeugt, dass die Anerkennung des Menschen (nicht Gottes) Jesus Christus als Sohn Gottes und Herr der einzige Weg zur Einheit der Gemeinde ist. Aber hier beginnen die Probleme schon: Der grösste Teil der Christenheit glaubt an Jesus Christus als Gott, und nicht im eigentlichen Sinn als Mensch und Sohn Gottes. Was ist also zu tun?

 

Ich bin überzeugt, dass es unter Trinitariern, Anhängern der Endzeit-Botschaft und jeglichen anderen Gruppen wirkliche Christen gibt. Leider ist man sich über die Person von Jesus nicht einig. Da zwei sich widersprechende Auffassungen logischerweise nicht beide korrekt sein können, müssen Irrtümer in einigen dieser Gruppen (oder auch bei mir selber!) vorhanden sein. Aber könnte es nicht sein, dass man im wesentlichen an Jesus als Sohn Gottes glaubt, aber die Gedanken durch aufgezwungene Glaubensbekenntnisse nicht zu voller Klarheit gelangen können? 

 

Das führt mich zu folgendem Schluss: Mit jedem, der aufrichtig Jesus nachfolgen möchte und die Heilige Schrift als in Glaubensfragen massgebende Autorität betrachtet (mit welchem Bibelverständnis auch immer!), sollte man versuchen, christliche Gemeinschaft zu haben, insofern sich dies anbietet. Und: Der freundliche Dialog zwischen gegensätzlichen Positionen könnte, ganz im Sinne der modernen Rede- und Pressefreiheit, zu mehr Erkenntnis für alle Beteiligten führen. 

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