Gottes Gnade verstehen
Auf das gute Erdreich gesät aber ist es bei dem, welcher das Wort hört und versteht; der bringt dann auch Frucht... (Matth. 13,23)
Hebräer 1,4-13
V.4: "und er ist um so viel erhabener geworden als die Engel, wie er einen vorzüglicheren Namen vor ihnen ererbt hat."
V.5: "Denn zu welchem der Engel hat er jemals gesagt: 'mein Sohn bist du, ich habe dich heute gezeugt'? und wiederum: 'Ich werde ihm Vater und er wird mir Sohn sein'?"
V.6: "Wenn er aber den Erstgeborenen wieder in den Erdkreis einführt, spricht er: 'Und alle Engel Gottes sollen ihn anbeten!' "
V.7: "Und von den Engeln zwar spricht er: 'Der seine Engel zu Winden macht und seine Diener zu einer Feuerflamme',"
V.8: "von dem Sohn aber: 'Dein Thron, Gott, ist von Ewigkeit zu Ewigkeit, und das Zepter der Aufrichtigkeit ist Zepter deines Reiches,"
V.9: "du hast Gerechtigkeit geliebt und Gesetzlosigkeit gehasst, darum hat dich, Gott, dein Gott gesalbt mit Freudenöl vor deinen Gefährten."
V.10: "Und: 'Du, Herr, hast im Anfang die Erde gegründet, und die Himmel sind Werke deiner Hände," ...
V.13: "Zu welchem der Engel aber hat er jemals gesagt: 'Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde hinlege als Schemel deiner Füsse'?"
(Elberfelder Übersetzung)
Gemäss dieser Übersetzung bekommt man den Eindruck, es sei durchgehend Gott der Vater, welcher hier von und zu seinem Sohn spricht. Entsprechend wird der Sohn "Gott" genannt, und der Vater spricht sogar zum Sohn: "Du, Herr, hast im Anfang die Erde gegründet..." Das klingt irgendwie seltsam. Es sollte eine plausiblere Auslegung möglich sein.
Bezüglich der folgenden Ausführungen verweise ich auf die Homepage The Trinity Delusion.
Aufbau und Struktur von Hebr. 1,4-13
Bevor ich die Verse im Detail untersuche, gebe ich zuerst einen Überblick über die Argumentationsstruktur und die tatsächlichen Aussagen von Hebr. 1,4-13. Damit nehme ich zwar einen Teil der Schlussfolgerungen vorweg, aber es ist bestimmt hilfreich beim Verständnis.
Vers 4: Hier erkennt man das Argument des ganzen Abschnitts. Es geht darum, aufzuzeigen, dass Jesus höher ist als die Engel. Würde der gesamte Abschnitt tatsächlich aussagen, dass Jesus der allmächtige Gott selber ist, dann wäre ein solches Argument gar nicht notwendig. Schon ganz am Anfang des Briefes, in Vers 1, heisst es, Gott habe ehemals zu den Vätern durch die Propheten geredet, nun aber am Ende dieser Tage durch den Sohn. Wie könnte es im alten Testament dann der präexistente Sohn sein, welcher zum Volk Israel spricht?
Vers 5-6: Hier zählt der Autor zwei Argumente auf, warum der Sohn höher als die Engel ist: Gott nennt ihn selber "mein Sohn", und legt fest, dass ihm alle Engel Gottes huldigen sollen.
Vers 7 und 8-9: Hier macht der Autor zuerst eine Aussage über Engel, indem er eine Schriftstelle zitiert (V.7). Diese Aussage wird dann in Kontrast gestellt mit einer Aussage über den Sohn um dessen Autorität hervorzuheben (V.8-9).
Vers 10-12 und 13: Hier beginnt ein neues Argument. Der Schreiber zitiert einen Psalm, wo der Psalmist zu Gott, dem Schöpfer, spricht. Damit wird die Erhabenheit von Gott, dem Vater, betont (V.10-12). Indem er danach vom Sohn sagt, dass dieser zur Rechten des Vaters erhöht wurde, wird wieder die Überlegenheit des Sohnes über die Engel deutlich gemacht (V.13).
Vers 4
"und er ist um so viel erhabener geworden als die Engel, wie er einen vorzüglicheren Namen vor ihnen ererbt hat."
An diesem Satz kann man sehen, dass es im ganzen nachfolgenden Argument darum geht, aufzuzeigen, dass Jesus höher als die Engel ist. Man muss auch das persönliche Pronomen "er" beachten, damit ist die Person Jesu gemeint, und es heisst, er sei erhabener als die Engel geworden. Wäre "er" Gott selber, würde eine solche Aussage überhaupt keinen Sinn ergeben.
Vers 5
"Denn zu welchem der Engel hat er jemals gesagt: 'mein Sohn bist du, ich habe dich heute gezeugt'? und wiederum: 'Ich werde ihm Vater und er wird mir Sohn sein'?"
In diesen Zitaten spricht ganz klar Gott, der Vater, zum Sohn. Es steht, "ich habe dich heute gezeugt", das ist im klaren Widerspruch zur Trinitätslehre, wo von einem ewigen Sohn gelehrt wird, der nie einen Anfang hatte. Auch zu beachten ist die Formulierung "Ich werde ihm Vater sein..." In der Trinitätslehre aber wird behauptet, Gott wäre schon immer der Vater des Sohnes gewesen.
Vers 6
"Wenn er aber den Erstgeborenen wieder in den Erdkreis einführt, spricht er: 'Und alle Engel Gottes sollen ihn anbeten!' "
Zuerst einmal muss man wissen, um welchen Zeitpunkt es in diesem Vers geht. Wann wurde gesagt, alle Engel Gottes sollen den Sohn anbeten? Lesen wir das Ende von Vers 3 und den Anfang von Vers 4: "nachdem er die Reinigung von den Sünden bewirkt hat, zur Rechten der Majestät in der Höhe gesetzt, und er ist um so viel erhabener geworden als die Engel..." Der Zeitpunkt ist hier Jesu Himmelfahrt nach seiner Kreuzigung. Dementsprechend beziehen sich die Worte "Wenn er aber den Erstgeborenen wieder in den Erdkreis einführt" auf Jesu Auferstehung!
Als zweites ist die Übersetzung "spricht er" irreführend. Das griechische Wort dahinter ist "legei", und es kann mit "er sagt", "sie sagt" oder "es sagt" (d.h. "die Schrift sagt") übersetzt werden. Wenn Gott, der Vater, hier sprechen würde, müsste das Zitat dann nicht sein, "Und alle meine Engel sollen ihn anbeten!"? Nun aber steht "alle Engel Gottes", und deshalb ist der Sprecher nicht Gott, der Vater, sondern wahrscheinlich ein Psalmist. Man würde also besser so übersetzen: "heisst es".
Als drittes muss man etwas über das Wort "anbeten" sagen. Das griechische Wort ist "proskyneo", und es bedeutet nicht ausschliesslich die Anbetung Gottes. Das gleiche Wort wird in Offb. 3,9 gebraucht: "... siehe, ich werde sie dahin bringen, dass sie kommen und sich niederwerfen vor deinen Füssen..." Hier ist sicher nicht gemeint, dass diese Menschen andere Menschen anbeten sollen.
Vers 7
"Und von den Engeln zwar spricht er: 'Der seine Engel zu Winden macht und seine Diener zu einer Feuerflamme',"
Wie in Vers 6 ist auch hier nicht Gott, der Vater, der Sprecher. Es handelt sich nämlich um ein Zitat aus Ps. 104,4: "der Winde zu seinen Boten macht, Feuer und Lohe zu seinen Dienern". In diesem Psalm ist offensichtlich nicht Gott der Sprecher, sondern der Psalmist. Vers 1 von Psalm 104 beginnt mit den Worten: "Preise den HERRN, meine Seele! HERR, mein Gott, du bist sehr gross..." Also würde man auch hier statt "spricht er" besser mit "heisst es" übersetzen.
Vers 8+9
"von dem Sohn aber: 'Dein Thron, Gott, ist von Ewigkeit zu Ewigkeit, und das Zepter der Aufrichtigkeit ist Zepter deines Reiches,"
"du hast Gerechtigkeit geliebt und Gesetzlosigkeit gehasst, darum hat dich, Gott, dein Gott gesalbt mit Freudenöl vor deinen Gefährten."
Die trinitarische Interpretation geht auch hier davon aus, dass Gott, der Vater, zu Gott, dem Sohn, spricht. Aber auch das ist falsch, denn es handelt sich um ein Zitat aus Ps. 45,7-8: "Dein Thron, Gott, ist immer und ewig, ein Zepter der Geradheit ist das Zepter deiner Herrschaft. Gerechtigkeit hast du geliebt und Gottlosigkeit gehasst, darum hat Gott, dein Gott, dich gesalbt mit Freudenöl vor deinen Gefährten." (Man beachte die leichte aber entscheidende Veränderung zwischen der Übersetzung von Hebr. 1,9 und von Ps. 45,8, in violett hervorgehoben.) Wenn Gott, der Vater, zu Gott, dem Sohn, spricht, wie passt das dann zu den Versen 2 und 3 von Psalm 45: "Bewegt ist mein Herz von gutem Wort. Sagen will ich meine Gedichte dem König! Meine Zunge sei wie der Griffel eines geschickten Schreibers! Du bist schöner als andere Menschen, Anmut ist ausgegossen über deine Lippen, darum hat Gott dich gesegnet für ewig." Offensichtlich spricht hier der Psalmist zu einem König Israels.
Wäre die trinitarische Interpretation korrekt, dann würde das folgendes bedeuten: Gott hat einen Gott, und Gottes Gott salbt Gott mit Freudenöl etc. Das ist nun wirklich schwer zu verdauen.
Was ist nun mit den Worten "Dein Thron, Gott, ist von Ewigkeit zu Ewigkeit" gemeint? Eine bessere Übersetzungsmöglichkeit wäre:
"Dein Thron ist Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit".
Auf Deutsch klingt das seltsam, und auch die Bedeutung ist nicht sofort klar. Gott ist doch kein Stuhl! Aber vergleichen wir es mit 1. Chr. 29,23:
"So setzte sich Salomo auf den Thron des HERRN als König..."
In 1. Kön. 1,37 sagt Benaja zu Salomo:
"... so möge er mit Salomo sein und seinen Thron noch grösser machen als den Thron meines Herrn, des Königs David!"
Hat Benaja etwa gemeint, dass Salomo auf einem grösseren Stuhl sitzen würde? Sicher nicht. Das Wort "Thron" steht für die Autorität des Königs. In Hebr. 1,8 sollte man die Worte "Dein Thron ist Gott..." also folgendermassen verstehen: Jesus, der Sohn Gottes, sitzt auf dem Thron Gottes, das bedeutet, Gott hat ihm die volle göttliche Autorität verliehen.
Vers 10-12
"Und: 'Du, Herr, hast im Anfang die Erde gegründet, und die Himmel sind Werke deiner Hände,"...
Wenn hier wirklich Gott, der Vater, zu seinem Sohn spricht, dann wird es nun wirklich bizarr. Nach trinitarischem Verständnis ist Gott, der Vater, der Schöpfer. In Luthers kleinem Katechismus steht:
"Ich glaube an Gott, den Vater allmächtigen, Schöpfer Himmels und der Erden."
Und nun soll, gemäss Hebr. 1,10, dieser Schöpfer seinen Sohn als seinen "Herrn" ansprechen und sagen: "Du, Herr, hast im Anfang die Erde gegründet..." Das ist nun wirklich nicht plausibel.
Auch Hebr. 1,10-12 ist ein Zitat aus einem Psalm, hier ist es Ps. 102,26-28. In diesem Psalm spricht nun definitiv nicht Gott, der Vater. Der Psalm beginnt mit "HERR, höre mein Gebet, lass zu dir kommen mein Schreien! Verbirg dein Angesicht nicht vor mir am Tag meiner Bedrängnis!" (Vers 2-3). Und in Vers 6 heisst es: "Wegen der Stimme meines Seufzens klebt mein Gebein an meinem Fleisch." Nein, hier spricht nicht Gott, der Vater!
Eine plausible Interpretation von Hebr. 1,10-12 ist, dass der Schreiber ein neues Argument beginnt, wieder mit der Absicht, die Überlegenheit Jesu vor den Engeln zu demonstrieren. Dazu zitiert er zuerst einen Abschnitt aus einem Psalm, wo Gott, der Vater, als Schöpfer gerühmt wird.
Vers 13
"Zu welchem der Engel aber hat er jemals gesagt: 'Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde hinlege als Schemel deiner Füsse'?"
Hier wird nun klar, weshalb der Schreiber in Vers 10-12 das Psalm-Zitat vom Schöpfer gemacht hat. Jesus hat sich zur Rechten Gottes, des Schöpfers, des obersten Herrn, gesetzt! Kein Engel wurde jemals auf diese Weise erhöht.
Ein Übersetzungsvorschlag
Eine besser verständliche, wenn auch nicht wörtliche, Übersetzung von Hebr. 1,4-13 wäre folgende:
V.4: "und er ist um so viel erhabener geworden als die Engel, wie er einen vorzüglicheren Namen vor ihnen ererbt hat."
V.5: "Denn zu welchem der Engel hat er jemals gesagt: 'mein Sohn bist du, ich habe dich heute gezeugt'? und wiederum: 'Ich werde ihm Vater und er wird mir Sohn sein'?"
V.6: "Wenn er aber den Erstgeborenen wieder in den Erdkreis einführt, heisst es: 'Und alle Engel Gottes sollen sich vor ihm niederwerfen!' "
V.7: "Und von den Engeln zwar heisst es: 'Der seine Engel zu Winden macht und seine Diener zu einer Feuerflamme',"
V.8: "von dem Sohn aber: 'Dein Thorn (d.h. deine Autorität) ist Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit, und das Zepter der Aufrichtigkeit ist Zepter deines Reiches,"
V.9: "du hast Gerechtigkeit geliebt und Gesetzlosigkeit gehasst, darum hat dich Gott, dein Gott gesalbt mit Freudenöl vor deinen Gefährten."
V.10: "Und weiter steht geschrieben: 'Du, Herr, hast im Anfang die Erde gegründet, und die Himmel sind Werke deiner Hände," ...
V.13: "Zu welchem der Engel aber hat er jemals gesagt: 'Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde hinlege als Schemel deiner Füsse'?"
Weiter zu 1. Joh. 5,20.